Erziehung zum Frieden – Der ukrainische Kriegsveteran Slawa Awramenko berichtet über sein Schicksal an der Ritter-von-Spix-Schule Höchstadt

HÖCHSTADT. Über 270 Minuten in drei Durchgängen sprach der 34jährige ukrainische Kriegsveteran Slawa Awramenko, der aktuell mit seiner Familie in Erlangen lebt und dort in medizinischer Behandlung ist. Er wurde simultan übersetzt durch den Erlanger Rotarier und Ukrainehilfe-Aktivisten Peter Steger und moderiert durch den Höchstadter Rotarier Frank Greif. Knapp 230 Schülerinnen und Schüler der 8. bis 10. Klassen der Ritter-von-Spix-Schule hörten über die Bedeutung des ukrainischen Abwehrkampfes für die Freiheit und Sicherheit Deutschlands, seine Eindrücke als Frontsoldat und über seine erlittenen schweren Verwundungen. Zugleich beantwortete er ihre Fragen zur Situation der Zivilbevölkerung in der Ukraine ebenso wie zu persönlichen Dingen.

Die Veranstaltung entstand als Projekt zur Erziehung zu Frieden und Demokratie in Kooperation zwischen der Schulleiterin, Sonja Maria Sasse und dem Rotary Club Höchstadt an der Aisch unter seinem Präsidenten Waldemar Kurtz. Bereits Anfang Februar hatten die Rotarier eine vergleichbare Veranstaltung an der Höchstadter Realschule angeboten.

Zu Beginn des Ereignisses sprach Kurtz über die Bedeutung des Gesprächsangebotes mit Slawa Awramenko für den Rotary Club in Höchstadt, da dieser sich bereits seit Beginn des Krieges stark in der Ukrainehilfe engagiere und sich nunmehr die Traumabewältigung und -begleitung auch von durch den Krieg in ihrer Heimat betroffenen und in der Region lebenden Ukrainerinnen und Ukrainern zum Thema gemacht habe.

Die Schulleiterin, Frau Sonja Maria Sasse, machte den Schülerinnen und Schüler der Ritter-von-SpixSchule die große Verantwortung bewusst, die die ganze Schulfamilie für ein friedliches Miteinander trage.  „Die meisten von uns hatten das Glück, in unserem Land seit 80 Jahren in Frieden zu leben. Wir haben uns bereits so daran gewöhnt, dass uns der Frieden und die Demokratie als etwas Selbstverständliches vorkommen. Sie sind aber keineswegs selbstverständliche Grundlagen unseres Zusammenlebens. Der Frieden ist ein hohes Gut, ebenso wie die Demokratie, um die wir uns täglich bemühen müssen.  Was nun hat das mit uns und unserer Schule zu tun? Ob es gewalttätige Auseinandersetzungen oder ein friedliches Miteinander gibt, entscheiden wir jeden Tag und jeder Einzelne von uns selbst. Der Frieden beginnt in unseren Familien und unserem Klassenzimmer. Der Frieden beginnt im Pausenhof. Der Frieden beginnt in der Mittagspause. Er beginnt, wenn wir es schaffen, die Meinung des anderen zu akzeptieren und zu tolerieren, auch wenn sie von unserer eigenen abweicht. Wenn wir es schaffen, uns bei Konflikten mit Worten zu einigen und nicht mit Gewalt, dann haben wir als Schulfamilie einen entscheidenden Beitrag zu Frieden, Demokratie und letztlich auch der Völkerverständigung mit großer Wirkung geleistet.“

In der anschließenden Diskussionsrunde sprach Veteran Awramenko in ruhiger, sachlicher und vor allem jugendgerechter Art über das, was er als Kriegsfreiwilliger an der ukrainischen Front erleben musste. Trotzdem Awramenko, selbst Ehemann und Vater von drei minderjährigen Töchtern, sich sehr um Zurückhaltung bemühte, war klar, dass er trotz seiner Verwundungen – er erlitt eine Schussverletzung in der linken Hüfte sowie schwerste Splitterverletzungen durch Minenbeschuss, verlor sein halbes rechtes Bein und war nach seinem Abtransport von der Frontlinie monatelang gelähmt – immer noch voll und ganz Soldat ist und bald nach seiner vollständigen Genesung am Universitätsklinikum Erlangen, wohin er durch einen Verteilschlüssel für schwerstverwundete ukrainische Soldaten geriet, zwar nicht mehr in einer Verwendung direkt an vorderster Front, aber immerhin in den Kampf zurückkehren wolle.

Warum er wieder an diesen schrecklichen Ort gehen wolle, fragte ein Schüler. Ob es ihm nach seinem Schicksal nicht reiche, bohrte er nach. Awramenkos Antwort fiel überraschend nüchtern aus: „Ich habe immer noch zwei Arme und zwei gut ausgeheilte Hände und kann daher zum Beispiel problemlos eine Drohne steuern. Außerdem habe ich Kampferfahrung als Soldat und kann diese gut in die Ausbildung der teilweise sehr jungen und unerfahrenen Rekruten einbringen. Dadurch sinkt ihr Risiko an der Front selbst verletzt oder getötet zu werden. Und außerdem muss schon mal nicht ein junger Mensch an die Front, wenn ich gehe.“

Trotzdem ist Awramenko nach einer Frage eines Schülers, ob Russland und die Ukraine jemals wieder in Frieden miteinander leben könnten, überzeugt: „Russen und Ukrainer werden sich irgendwann wieder vertragen, das ist sicher. Aber der Weg dahin wird lang.“ Gleichzeitig will er auch keine Illusionen aufkommen lassen: „Der ukrainische Abwehrkampf ist wichtig für Europa und Deutschland! Denn sollte die Ukraine nicht bestehen können, kommt die Bedrohung durch Russland nach Europa und Deutschland voran!“

Auch auf die Situation der Zivilbevölkerung in der Ukraine ging Awramenko ein. So sei das Leben dort durch die russischen Angriffe mit russischen Kamikaze-Drohnen und Raketen stark eingeschränkt. „Ab 20 Uhr ist Ausgangssperre und die Restaurants und sonstigen öffentlichen Einrichtungen müssen schließen“. Dennoch gehe das Leben in anderen Bereichen, wie gewohnt, weiter. Überraschend war für viele Zuhörerinnen und Zuhörer, dass in der Ukraine bereits ab dem 16. Lebensjahr die Jugendlichen auf den Krieg mit Waffentechnikkunde und körperlicher Ertüchtigung vorbereitet würden.

Atemlose Stille der zuhörenden Schülerinnen und Schüler begleiteten jedenfalls die Ausführungen Awramenkos. Man konnte beinahe eine Stecknadel fallen hören und den jungen Menschen überdeutlich anmerken, dass ihnen die dargestellten Erlebnisse und Themen nahe gingen und sie beschäftigten. Auch ihre gut durchdachten und gut vorbereiteten Fragen und die sehr aktive Teilnahme bestätigten dieses. Manche der Anwesenden stellten ihre Fragen in ukrainischer oder russischer Sprache, was den in der Schule präsenten Anteil an russisch- oder ukrainischstämmigen Schülern eindrucksvoll unterstrich.

Eine Szene einer Schülerin war besonders beeindruckend, als diese nach der Diskussion zu Awramenko ging, ihm eine übergroße Schachtel Merci-Schokolade schenkte und sich „für das, was Sie für uns tun und Ihren Mut“, bedankte. Zum Abschluss dankte Moderator Greif den Schülerinnen und Schülern für ihre Anteilnahme, ihre Disziplin während der Diskussion und ihre Fragen und bat darum, „dass ihr mit allen, die ihr kennt, über das sprecht, was ihr heute gehört habt. Denn es ist wichtig, dass die Menschen draußen wissen, was die Ukraine für uns alle erleidet und dass wir selbst dies hoffentlich nie erleben müssen.“

Im Nachgang äußerten sich Schülerinnen und Schüler darüber, was sie aus dem Vormittag mitgenommen haben mit den Worten:

„Uns ist bewusst geworden, dass wir für den Frieden in unserem Land dankbar sein müssen!“

 

Bildunterschriften: Slawa Awramenko (rechts im Bild), ukrainischer Veteran des Krieges Russlands gegen die Ukraine, sprach, simultan übersetzt durch den Erlanger Peter Steger, zu den zahlreich erschienenen Schülerinnen und Schülern der Ritter-von-Spix-Schule in Höchstadt.